Der Einsturz der Rana Plaza Textilfabrik war der tragische Höhepunkt einer Serie von Unfällen. Was hat sich seither bei uns getan. Ein Jahr danach gab es am 30. April diesen Jahres einen Runden Tisch im BMZ beim dem Bundesminister Dr. Müller mit Vertretern der Textilindustrie, Verbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen mit dem Ziel mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sowie Mittel und Wege zu finden, um neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen, angemessener Bezahlung der Arbeiter auch die Standards für die Gebäudesicherheit zu erhöhen. Im Gespräch war die Einführung eines Fairtrade-Textilsiegels und die Fortsetzung des Runden Tisches. Wir haben dem Herrn Bundesminister Gerd Müller in einem Anschreiben unsere Unterstützung angeboten, um unsere Erfahrungen als Fachorganisation beim Thema Gebäudesicherheit in der Diskussion einzubringen. Bis heute wir nicht einmal eine Antwort erhalten. In der Zwischenzeit wurde auf Veranlassung des BMZ von der GIZ ein Aktionsplan ausgearbeitet (Veröffentlichung am 15. Okt.), der eine Grundlage für das weitere Vorgehen er Beteiligten bieten soll. Am 16. Okt. sollten sich die o.g. Vertreter der Zivilgesellschaft zu einem ein Textilbündnis zusammenschließen. Doch sind wesentliche Vertreter der Textilbranche  wie der Handelsverband Deutschland (HDE) als auch der Gesamtverband Textil- und Modeindustrie (t + m) wenige Tage vor der Gründung des Bündnisses abgesprungen, weil sie eine nationale Regelung für falsch und „Eine lückenlose Überwachung sämtlicher Produktionsstufen vom Baumwollfeld bis zum Bügel ist unrealistisch“ halten. Der Plan aber sei in seiner Form nicht „entscheidungsreif“. Von etwa 60 erhofften Teilnehmern sind noch etwa 30 übrig geblieben. Doch welche Qualitäten hat der Aktionsplan überhaupt aus unserem Blickwinkel als Fachplaner? Enttäuschend wenig muss man sagen, denn das Thema Gebäudesicherheit – eigentlicher Anlass für Auseinandersetzung mit dem Thema faire, gerechte Arbeitsbedingungen und Arbeitssicherheit in der Textilindustrie über alle Glieder der Produktions- und Lieferketten – taucht in dem 66-seitigen Aktionsplan nur an wenigen Stellen auf:
Seite 12 „Als weitere prioritäre Themen sind Arbeits- und Gebäudesicherheit, existenzsichernde Löhne, Arbeitszeiten und prekäre Beschäftigung hervorzuheben.“
Seite 23/31 „Unternehmen stellen sichere und hygienische Bedingungen an den Arbeitsplätzen und, wo vorhanden, in Unterkünften für die Beschäftigten sicher und entwickeln klar definierte Regeln und Abläufe für Sicherheit und Gesundheitsschutz.“
Das ist schon alles, was zum Thema Gebäudesicherheit gesagt wird – ein grobes, nicht vertret- und unentschuldbares Versäumnis. In vorliegenden Form kann der Aktionsplan keinen Einfluss auf die Verbesserung der Gebäudesicherheit in den zahlreichen Produktionseinrichtungen der Textilindustrie in Ländern mit prekären Lebensverhältnissen haben. Es bleibt den beteiligten Firmen der Textilbranche selbst überlassen etwas zu unternehmen oder nicht. Eine wirksame neutrale Kontrolle auf Grundlage von vorher festgelegten Standards ist nicht vorgesehen. Entsprechend fehlen auch Regeln und geeignete Druckmittel, um gegen Firmen vorzugehen, die keine oder keine geeigneten Sicherheitsstandards haben bzw. diese nicht einführen oder einführen wollen. Alles ist freiwillig und so wird wohl auch alles bleiben, wie es ist. Der nächste Unfall ist vorprogrammiert und nur eine Frage der Zeit. Die Gelegenheit, etwas zur substanziellen Verbesserung der Gebäudesicherheit zu tun, wurde dieses Mal verpasst oder (was noch schlimmer ist) gar nicht erkannt!

Verfasser: Thomas Schinkel